Mittwoch, 11. Juli 2012

A.dele wandert. Teil 2 - Die Seilbahn

Von unten sieht sie ja so harmlos aus. Kleine Gondeln schweben nur einige Meter über dem Boden hinunter ins Tal. Später, während ich in einer der Gondeln bzw. Kabinen sitze, bemerke ich, dass „einige Meter“ arg untertrieben ist, aber dazu komme ich noch. Zunächst der Einstieg. Bevor ich einen Fuß in eine der Gondeln setze, gebe ich mir wirklich Mühe, einen der Mitwanderer davon zu überzeugen, mit mir ins Tal zu laufen. Sind doch nur wenige Meter, nur eine Stunde Gehweg, plus läppische zehn Minuten, also los! Wer kommt mit? Die Jugend von heute aber will nicht mit mir wandern. Pech für mich. Wir stehen erst einmal an. Vor uns steht ein älteres Pärchen, vielleicht 70 Lenze alt. Es könnte zu anderen Leuten in eine der Gondeln steigen, die vom Berg kommen. Aber andere Leute, das sind hauptsächlich Japaner, die „ganz von oben“ kommen und das Pärchen will nun partout allein in der Gondel sitzen. Wer weiß? Frisch verliebt? Alt verheiratet und Hochzeitstag? Alles ist möglich. Endlich! Eine einsame Gondel schwebt hernieder, öffnet die Türen, nimmt das Paar auf und schwebt mit ihm ab. Die nächste Gondel ist unsere. Einsteigen, hinsetzen, nett gucken. Es ist alles in Ordnung. Noch. Die Gondel nähert sich dem Abgrund, die Tür steht offen. Ich murmle: „Geh zu, geh zu, geh zu!“ Jetzt schließt sich die Tür und es geht sofort abwärts. Fein, sehr fein. Warum mache ich das eigentlich? Warum mache ich im Urlaub immer wieder Dinge, die ich im Alltag vermeide (da wären: auf Pferden und Eseln reiten, Motorrad fahren, Seilbahn fahren)? Ich betrete sonst nur sehr selten Fahrstühle, aus gutem Grund. Höhenangst ist Höhenangst. Von wegen „sich der Angst stellen“! Was für ein großer Blödsinn! Es geht einfach nicht weg. Basta. Wäre ich doch gelaufen! Unter uns sind viele viele Meter. Ich gehe gerade im Kopf die Katastrophenfilme durch, die von Seilbahnunglücken handeln. Die geh'n so: Die Seilbahn hält, irgendwo im Tal geht irgendjemand nach Hause, macht einfach Feierabend, obwohl dort oben, in luftiger Höhe noch jemand in einer Gondel sitzt, meist ein Liebespaar, das zu Beginn des Dramas noch nicht weiß, dass es eines ist. Das Paar also sitzt da drin, in der Gondel, sie seufzt, er nimmt ihre Hand. Langsam wird es dunkel. Die Gondel hängt so fünfzig Meter über dem Boden. Wind kommt auf, die Gondel pendelt. Es ist kalt, es wird immer kälter und unten leuchtet der Schnee im Mondlicht. Halt! Hier endet der Film. Jetzt ist ja Sommer, stelle ich erleichtert fest und ignoriere, dass die Gondel ein wenig im Wind schwingt. Neben mir singt jemand „Oh lord won't you buy me a mercedes benz“ Das Lied ist natürlich viel cooler als meines, mir fällt gerade nur „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ ein, aber bevor ich weiß, wie der Text weiter geht, sind wir schon unten und irgendwie habe ich es verpasst, diese großartige Landschaft um mich herum, durch die ich hindurch schweben durfte, zu genießen. Schade eigentlich. Vielleicht beim nächsten Mal.

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